Leichter als gedacht: Wie du mit deiner Vorstellungskraft besser reitest.
- Patricia Kestel
- 24. Jan. 2022
- 8 Min. Lesezeit
Aktualisiert: 28. Feb. 2022
Feiner reiten mit der Macht deiner Gedanken.
Schon oft durfte ich in meinem Unterricht beobachten, welch eine erstaunliche Wirkung die Gedanken und Vorstellungskraft des Schülers auf sein Reiten und die Zusammenarbeit mir seinem Pferd haben. Im Negativen genauso wie im Positiven.
Die meisten Reiter sind unglaublich intensiv damit beschäftigt, technisch korrekt zu reiten, ihre Körperteile günstig zu sortieren und einzustellen, die Zügel permanent anzupassen und umzuändern, daß sie manchmal kaum noch merken, an welchem Punkt der Bahn bzw. wo im Raum sie sich mit ihrem Pferd überhaupt befinden. Sie vergessen sogar die Haltung des Pferdes obwohl sie die ganze Zeit daran herumoperieren und daß es vor lauter Wollen alles nicht unbedingt besser wird.

Vielleicht hast du auch schon so etwas bei dir beobachtet:
Du möchtest auf dem Zirkel in korrekter Stellung mit etwas Biegung reiten. Was sich leicht anhört, ist - wenn du es gut und richtig ausführen möchtest - schon eine ganz besonders schwierige Aufgabe.
Du merkst, daß der Zirkel immer unrunder wird, das Pferd immer schiefer, der eigene Körper fühlt sich immer unkontrollierter an... Oder das Schulterherein - hat immer gut geklappt. Aber heute! Ein K(r)ampf! Mal zu viel, mal zu wenig Abstellung. Das Pferd zieht gegen die Hand und reagiert nicht auf den Schenkel, mal fällt es nach vorn aus, mal nach hinten... Was ist nur los?! Es ist zum Mäuse melken.
Das ist dann der Punkt, an dem die meisten ins "Werkeln" kommen. Sie tun und machen und arbeiten auf ihrem Pferd, versuchen diese und jene Technik, um die Übung zu retten, zu verbessern, zu optimieren. Statt weniger Hilfen werden es immer mehr und schöner oder besser wird das Reiten da auch gerade nicht. Alles sieht angestrengt aus ohne Leichtigkeit (was es wohl auch letztlich ist). Immer mehr Muskeln im Körper des Reiters spannen an und übertragen diese natürlich auch auf das Pferd. Es sollte alles so schön leicht werden. Reiten in Leichtigkeit eben. Fühlt sich nur gerade nicht so an...
Gerade wenn du fühlst, daß jetzt der Knoten in der Übung ist, daß du nicht mehr weiter kommst, - manch einer ist kurz davor, abzusteigen und das Pferd gegen den Golfschläger einzutauschen....
Wie kommst du wieder raus aus dem Knoten? Und vor allem nicht mehr hinein? Oft haben sich in bestimmten Übungen schon Muster eingeschlichen, die dazu führen, daß du immer wieder an den gleichen Stellen scheiterst und die Übung mißlingt.
Der Fehler ist der, daß du unbewußt bist. Du reitest unbewußt.
Du bist im Tun und Machen um etwas zu erreichen, aber in Wirklichkeit fehlt dir die Vorstellung dazu, wie das Ganze eigentlich aussehen soll.
Daher kann dann Folgendes Wunder wirken:
Zuerst einmal: Durchparieren... Das Pferd, aber auch sich selbst... Tief durchatmen.. Alles locker lassen... Vielleicht auch mal einen Moment die Augen schließen (wenn das Pferd brav ist)... Dann beginnst du die Übung von Neuem.
Aber du beginnst jetzt mal anders! Nämlich mit Bewußtheit.
Dein Handeln kommt aus dem Be-Wußt-Sein.
Das bedeutet, daß du eine klare Vorstellung schaffst in deinem Kopf, deinem Bewußtsein, wie du mit deinem Pferd in dieser Übung aussiehst. Wie dein Pferd sich hält, welchen Takt und in welcher Kadenz es geht, wie du stolz und aufrecht, aber dennoch locker oben drauf sitzt.
Erinnere dich zuerst daran wie es aussehen soll! Wie sieht dein inneres Bild von deinem perfekten Schulterherein im Schritt aus, wie vom Travers im Trab? Lasse diesen wunderbaren Film vor deinem inneren Auge ablaufen.
Erschaffe dir ein wunderschönes inneres Bild wie dein Pferd unter dir laufen soll. Schau dir dieses Bild genau an. Denke daran wie dein Pferd locker im Genick nachgibt. Wie der Hals sich aufwölbt, ohne daß du etwas dazu tust. Wie der Kontakt zur Hand ganz leicht, geschmeidig und weich wird. Wie der Rücken sich hebt und dein Pferd dich in die Bewegung mitnimmt. Und schau dir an wie schön locker und entspannt du mitsitzen kannst, während es trabt oder galoppiert. Oder in die Seitwärtsgänge übergeht.
Du sitzt stolz und aufrecht, aber trotzdem sehr beweglich, Arme und Beine sind entspannt und tun wirklich nur das allernötigste. Deine Hilfen sind fein und leicht und dein Pferd bewegt sich ebenso fein und leicht dazu.
Deine innere Kamera zeichnet ein Bild von euch auf... wie schön und leicht es geht und vor allem wie schön es aussieht.
Die schöne Bewegung im versammelten Trab, die gelöste Haltung in der Piaffe - für jede Übung gibt es ein Vor-Bild.
Dieses Bild reitet mit dir mit. Die ganze Zeit. Diese Vorstellung muß immer präsent sein. Es gibt nur dich, dein Pferd und dieses wunderschöne, harmonische Bild von euch beiden.
Konzentrier dich auf die Idee, das Bild... wie schön du mit deinem Pferd in der Übung aussiehst. Gib einen einzigen Hilfe-Impuls (!) passend, um die Übung zu beginnen, warte kurz auf dein Pferd und laß die Bewegung einfach fließen. So kommst du Schritt für Schritt hin zu mehr Leichtigkeit und guter Kommunikation mit deinem Pferd.
Das schöne daran ist außerdem: du bist komplett weg, dich mit dem Problem, das du gerade hast, zu beschäftigen oder dich gar dahinein zu steigern. Du kommst raus aus der Spirale "Des-zu-viel-Tun-und-Machens", was meist alles in der Situation noch schlimmer macht.
Es entspannt die Psyche und den Körper; es läßt dich wieder geistig und körperlich beweglich werden. Und dein Pferd wird dies unmittelbar spiegeln.
Dabei darfst du eines nicht verwechseln. Du darfst die Übung NICHT wollen. Du darfst NUR das schöne INNERE Bild von dieser Übung ANSCHAUEN. Nur schauen - und genießen. Mehr nicht. Nur das wirkt.
Und sobald du merkst, daß es wieder anfängt irgendwo zu hakeln... gleich wieder konzentriert in dieses wunderbare innere Bild versinken. Immer wieder.
Ja, du glaubst es nicht?
Deine Gedanken und deine Vorstellungskraft hat so eine immense Macht und Einfluß auf die Erschaffung deiner Situation! Das darfst du niemals unterschätzen!
Es gilt an und für sich ja für alle Lebensbereiche, aber natürlich gerade für das Reiten und den Umgang mit dem Pferd. Und das liebe ich ja perönlich auch so sehr an der Arbeit mit den Pferden, - daß man daraus auch immer etwas fürs Leben lernt. Wichtigte Dinge. Einschneidende Erkenntnisse.
Was passiert da also?
Dein Gedanke schafft ein inneres Bild.
Zu diesem Bild stellt sich ein Gefühl ein:
1. Beispiel (negativ):
Beim Zirkel reiten auf der linken Hand haut es dich an der offenen Seite regelmäßig aus der Kurve. Dein Pferd läuft eher geradeaus weiter. Du kommst nicht rum.
Beim nächsten Versuch Zirkel linke Hand denkst du schon "Oh je... jetzt kommt unsere schlechte Seite", "So, jetzt kommt die Problemseite", "Mal schauen, ob es heut klappt", "Da hat es mit der Kurve bisher ja noch nie geklappt, wäre ja ein Wunder, wenn es heute geht", "Da hats uns an der offenen Seite ja immer rausgehauen", "Warum sollte es heute anders sein - aber versuchen kann mans ja mal". So und ähnlich saust es durch deinen Kopf.
Mit diesen Sätzen schaffst du dir - ob du es willst oder nicht - Bilder davon (ganz unbewußt) wie es ganz sicher NICHT klappen wird, was du dir vorgenommen hast (um die Kurve zu reiten). Deine Gefühle dazu werden auch nicht leicht und freudig sein. Alles kommt in eine beklommene, verspannte Richtung. Diese Gedanken und Gefühle wirken sich auch auf deine Muskelspannung und -haltung aus. Und die spürt dein Pferd!
Darum wird es garantiert nicht klappen wie du es dir wünscht. ABER - es wird genauso klappen wie du es dir VORSTELLST! Denn du hast es deinem Pferd quasi schon zugeflüstert: "Wir schaffen die Kurve nicht. Es wird uns wieder und wieder aus der Kurve hauen..."
2. Beispiel (positiv):
Das Ursprungsthema ist das gleiche. Der Zirkel linke Hand ist problematisch. Deine Erfahrung war bisher, daß dein Pferd an der offenen Seite nicht abbiegen wollte und einen schönen runden Kreisbogen gehen wollte, sondern lieber geradeaus läuft.
Du nimmst jetzt diese Herangehensweise: Du atmest. Ein. Aus. Schwer. Du konzentrierst dich nicht in erster Lienie, welche Hilfen du jetzt dem Pferd geben mußt, sondern du erschaffst ertsmal ein Bild, wie du ganz selbstverständlich um die Kurve reitest. Als hättest du es schon immer getan. Du lächelst dabei. Es ist so einfach, so leicht. Du sitzt in die Kurve. Klar, Kurven reiten - ist so leicht, das ist kaum einen Gedanken wert. Es sieht unheimlich leicht und elegant aus.
Auch hier schaffst du unweigerlich mit diesen Gedanken und Vorstellungen eine Stimmung in deinem Körper, eine leichte, positive, entspannte Stimmung. So reagieren dann auch deine Muskeln. Und deine Muskeln wollen sich auch in die Kurve bewegen. Das reicht aus, um dem Pferd die Richtung verständlich zu machen.
Das Pferd reagiert immer klar auf dich und wird deiner Stimmung und Muskelspannung folgen. Diejenige, die du kreiert hast. Und das hast du in der Hand. Oder besser gesagt - im Kopf!
Dort liegt der Anfang deines Handelns! Allen Handelns!
In den Gedanken.
Nicht im Gefühl! Das ist ein Irrtum, dem tatsächlich auch viele folgen. Leider auch sehr viele spirituelle, sensible und fühlende Menschen. Sie leben nach der Prämisse, man solle aus dem Gefühl heraus erschaffen, der Intuition folgen.
Doch damit bleiben sie unbewußt und das ist nicht zielführend. Sie kommen so eben NICHT an das Ziel, das sie sich wünschen. Sie bleiben stecken, bleiben ewig auf einer Stufe der Entwicklung stehen. Aber wenn sie sich noch mehr anstrengen mit dem Fühlen, dann wird das schon werden. Irgendwann. Denn es fühlt sich ja schon mal gut an.
Nein. So geht es eben nicht.
Erst der Gedanke.
Im Gedanken steckt etwas immens Wichtiges: Nämlich Wissen und Klarheit um eine Realität oder Wahrheit. Und ohne dem funktioniert eigentlich nichts in dieser Welt - wenn man es mal genau nimmt.
DANN kommt das Gefühl dazu!
Natürlich brauche ich das Gefühl, die Emotion, um etwas in die Tat umsetzen zu können. Dazu gehört auch die Intuition.
In dem Fall das Gefühl von Entspanntheit, freudigem Lächeln. In einem anderen Fall brauchen wir tatsächlich aber auch Wut als Antrieb, um etwas zu erreichen oder durchzusetzen (z.B. eine Grenze).
Daraus ergibt sich die richtige und wahrhaftige HANDLUNG.
Eine kleine Zwischen-Anmerkung sei noch zur Reihenfolge Gefühl - Handlung gesagt:
Zwischen Gedanke/Gefühl und der Handlung können Störfaktoren Einfluß auf dich nehmen. Diese sind nicht zu unterschätzen, weil sie sich meist im Verborgenen tummeln und du gar nicht darauf kommst, daß sie da sind und dich beeinflussen.
Das können uralte Ängste sein, vergangene und verschüttete Traumata, schlechte Glaubenssätze, sonstige Formen von alten manipulativ einstudierten Verhaltensmustern etc.
Diese Faktoren können deine ursprünglichen Gedanken und Gefühle verfälschen und/oder torpedieren, so daß deine Handlung nicht mehr authentisch zu eben jenen eigentlichen Gedanken paßt.
Sie können deine allerbesten Ansätze dazu bringen, daß deine Handlung nicht demgemäß ausfällt und du dein Ziel dennoch nicht erreichst.
Es macht viel Sinn, sich auf die Suche nach dem zu machen, was dich hier blockiert. Wenn du es nicht tust, können sie dich lebenslänglich aufhalten oder "fesseln", deine Wünsche und Träume zu erfüllen bzw. deine Ziele zu erreichen.
Angst z.B. ist ein häufiger Störfaktor, der einen Reiter begleitet und ihn daran hindert, ein entspanntes und harmonisches Verhältnis zu seinem Pferd zu haben. Viele können sich nicht ganz davon lösen und sind sehr gefangen in dieser Struktur. Aber das ist ein weitreichendes Thema. Wir werden an anderer Stelle noch darüber sprechen.
Ich habe es immer wieder erlebt. Unsere Pferde lesen uns quasi unsere Wünsche vom Körper ab. Du mußt es nur zulassen, daß sie sie dir erfüllen.
Probiere es aus. Es kostet nichts und hat auch keine unerwünschten Nebenwirkungen...
Gerne probiere es auch mal in anderen Bereichen deines Lebens aus. Da wäre ich gespannt auf deine Erfahrungen.
Vielleicht wird der ewig ätzende Mobbing-Kollege doch noch zu einem Kumpel - Wer weiß....
Oder es kommen auf einmal Menschen in dein Leben, die dich eben nicht nur dann kennen, wenn es ihnen selber schlecht geht.....
Erschaffe dir die Welt, wie sie dir gefällt - mit positiven Gedanken und Bildern - dann den passenden Gefühlen dazu... Und dann - Go for it!
Ich bin gespannt auf deine wunderschönen Zirkel und Volten.
Liebe Grüße, Patricia


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