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Wichtiger Winterpelz - Der Pferdefrostschutz

  • Patricia Kestel
  • 5. Jan. 2022
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 4. Apr. 2022

Alle Jahre wieder: Wir sind mitten drin im schönsten Winter. Viele Schneeschauer rieseln aus dunkelgrauen Wolken und bedecken Straßen, Dächer, Bäume, Wiesen und Felder. Es ist feucht, naß, kalt und wir sind froh, wenn wir uns wieder in die warme Stube an den Ofen klemmen können.

Nicht so dein Isländer. Der tummelt sich immer noch draußen im Offenstall, steht erstaunlicherweise lieber mitten im Schneegestöber als im Unterstand und das auch noch Tag UND Nacht. Wie hält er das bloß aus? - Im Offenstall im Freien oder auch in der Paddockbox.

Die Temperaturen sind meist nicht weit um die 0°C herum gelegen. Während hingegen die Körpertemperatur der Pferde mal locker 30° C höher liegt. Ist schon erstaunlich wie dein Isländer so in diesem Wetter klar kommt oder?


Zum Verständnis schauen wie uns diese Robustrasse mal genauer an:


Für die Witterungsverhältnisse ist es wichtig, ein paar Dinge zur Fellstruktur verschiedener Rassen zu wissen, damit man seinem Pferdeschatz rassegerecht über einen gesunden Winter (und eigentlich eigentlich auch das Jahr über) helfen kann.

Es herrscht unter den Pferdebesitzern eine weit verbreitete Meinung, daß man sein Pferd nur lange genug an den Aufenthalt im kühlen Freien gewöhnen muß und schon würde es ein passendes Winterfell ausbilden, das ihm über den Winter ausreicht, um es vor Krankheit zu schützen.


Ich möchte hier zunächst einmal aufzeigen wie ein ordentlicher Wintermantel aussieht, der nicht nur vor sehr niedrigen Temperaturen schützt, sondern vor allem auch Niederschläge (Nässe) - wie sie in unseren Breiten üblich sind - abhält und den Körper warm und trocken hält.


Auch im Gesicht erkennt man leicht die wasserableitenden Richtungen im Fell. Das hellere Rotbraun zeigt, daß das Fell in Körpernähe trocken bleibt.

Die hier im Beispiel gezeigten Isländer haben zwei „Arten“ von Haar. Das Deckhaar und die Unterwolle. Ersteres kann je nach individueller Ausprägung eine beträchtlich Länge erreichen (an manchen Körperstellen bis zu 10 cm) und besteht aus eher dicken Haaren mit einer rauhen Struktur. Letzteres liegt dicht am Körper an und besteht aus eher dünnen, weichen, sehr feinen Haaren. Gegen die Kälte kann sich das längere Deckhaar gut aufstellen und die darunter liegende Unterwolle hält den Körper mollig warm.


Am Körper des Pferdes kann man sehen, wo und wie das Wasser ideal abgewiesen wird.

Auf dem ersten Bild sieht man die Kruppe eines Isländers, der sich schon eine Weile im Schnee aufgehalten hat. Man kann sehr gut erkennen wie das lange Deckhaar das Wasser regenrinnenartig am Körper des Pferdes ableitet. Die dichte Unterwolle hilft mit einem Luftpolster diese nasseren längeren Haare vom Körper fern zu halten. So taut der auf der Kruppe liegende Schnee nicht einmal dann obwohl das Fell schon sehr durchnäßt ist. Haut und Körper bleiben auf diese Weise trocken und kühlen nicht aus.


Auf der Kruppe bleibt der Schnee dank guter Isolierung liegen. Auch hier die wasserabweisende Strichrichtung im Fell.

Diese Pferde haben über den ganzen Körper verteilt eine Strichrichtung im Fell, die das Wasser/den Niederschlag ideal vom Körper weg leitet. Viele Wirbel helfen ihnen dabei. Ein besonders auffälliger ist der, der sich in der Flanke befindet und an dem das Wasser senkrecht abgeleitet wird.


Am Schweifansatz bildet sich bei diesen Pferden eine „Glocke“. Das ist ein Haarkranz aus eher kürzeren Schweifhaaren, der glockenförmig den Schweif quasi überdeckt und verhindert, daß sich Nässe zwischen Hinterbeinen und Genitalien ausbreiten kann. Auch der häufig bei diesen Pferden etwas tiefere Ansatz des Schweifes schützt das Eindringen von Nässe.


Die Regenrinne in der Flanke.

In der Flanke zerteilt sich das Fell nach vorne unten und nach hinten, So wird das Wasser umgeleitet, damit es nicht unter den Bauch läuft.







Der puschelige Schweifansatz - die Glocke - schützt ebenfalls vor Nässe

Die "Glocke" am Schweifansatz der Robusten sorgt ebenfalls dafür, daß die Haut (und Genitalien) unter dem Schweif trocken und geschützt bleiben.






Dicht mit Haar gefüllte Mauseöhrchen.

Die meist eher kleinen Mausöhrchen dieser Pferde sind nicht nur außen so dicht mit Fell bewachsen, sondern vor allem auch innen, damit es im Oberstübchen keinen Wasserschaden gibt.






Im Bild zu sehen: ein dichter Kötenbehang.

Schon zum Herbst hin legt sich ein anständiges Nordpferd Stiefelchen an... besonders lange Haare - den Kötenbehang, der meist schon oberhalb der Fessel an der Rückseite des Beines einen Wasserableiter darstellt und dafür sorgt, daß die Nässe sich nicht in der empfindlichen Fesselbeuge staut.




Es ist auch nicht nur interessant sondern auch wichtig zu wissen, daß die Robustrassen wie der Isländer im Grunde genommen hauptsächlich ein Winterfell das ganze Jahr über besitzen. Bis der Fellwechsel zum sehr kurzen Sommerfell vollzogen ist, ist es meist schon Hochsommer (Juli, August), wonach meist schon bald wieder der Wechsel zum Herbst- und Winterfell beginnt.



Schauen wir uns jetzt im Vergleich dazu das dünne Mäntelchen eines - noch recht jungen - reinrassigen Spanischen Pferdes im Winter an:

Sein Fell zeigt deutlich seine Herkunft aus warmen oder heißen Gegenden. Daher sehen wir im Gegensatz zu obigen Bildern bei dem spanischen Pferd das deutlich dünne Winterpelzchen.

Als erstes fällt auf, daß er dieses längere, wasserableitende Deckhaar nicht besitzt. Er besitzt auch keine Unterwolle, denn er ist ein sehr typischer Vertreter des reinen Südpferdetyps. Sein Fell wird mittlerweile (er ist Offenstall seit Jahren gewöhnt) schon etwas länger und auch dichter zum Winter hin, weist aber im Vergleich eine komplett andere Beschaffenheit auf. Er besitzt nicht die typischen „Regenrinnen“ und eben nicht das lange, grobe Deckhaar, das Nässe vom Körper fern und ihn somit trocken hält.

Saugt sich also bei anhaltender Nässe sein Fellchen voll, kann das Wasser ungehindert zum Körper vordringen und diesen auskühlen.


Auch hier sind wenig Wirbel und wasserabweisende Strichrichtungen zu sehen.

Ihm fehlt auch diese „Glocke“ am Schweif, was allerdings nicht unnormal, sondern sehr typisch für ihn ist. Auch der Kötenbehang ist vergleichsweise rudimentär vorhanden.


Er ist also gegenüber seinen isländischen Kumpanen deutlich benachteiligt was das Aushalten von kalter Nässe betrifft. Trockene Kälte kann ihm da auch nicht ganz so viel anhaben. Aber hier bei uns regnet und schneit es in der kalten Jahreszeit doch üblicherweise öfter.


Im Bild: Der etwas höhere Schweifansatz und die fehlende Glocke.

So wie der Isländer über das Jahr hauptsächlich ein Winterfell aufweist, besitzt der Spanier umgekehrt hauptsächlich ein Sommerfell.

Der Spanier wird niemals ein annähernd ähnliches Fellprofil bekommen, wie die Islandpuschels. Man kann ihn jahrelang draußen halten und an das Wetter gewöhnen wie man will. Und vielleicht wird sein Fell etwas länger und dichter werden als bei anderen seiner Artgenossen, aber niemals bekommt es die Struktur wie sie oben bei den Isländern beschrieben ist. Denn das verbietet seine genetische Veranlagung.


Der Spanier gehört den Südpferdetypen an. Normalerweise - falls möglichst rein gezogen und ohne Araberanteil - dem "Südpferdetyp III". Diese sind seit ewigen Zeiten an das südliche Klima angepaßt und diese genetische Anpassung wird sich nicht durch „Wettertraining“ verändern lassen.


Die Isländer gehören dem "Nordpferdetyp I" an (manchmal erkennt man schon frühe Beimengungen vom "Nordpferdtyp II" und sogar ein paar Merkmale der "Südpferdetyp III und IV") und sind noch recht gut an das naß-kalte Klima angepaßt. Genetisch.


Was bedeutet das also für dein Pferd?

Du muß erkennen, daß du deinem südländischen Pferd - ob reinrassig oder gemischt ist einerlei - keine nordische Winterdecke antrainieren kannst. Dies bedeutet, daß du deinem Pferd bei extremen Wetterlagen doch einmal mit einer Zusatzdecke gegen Nässe helfen mußt, wenn du es im Freien halten willst und möchtest, daß es keine Lungen-, Nieren- oder andere Probleme entwickelt.


Ich bin persönlich kein Freund von Decken. Allerdings muß ich schon schauen, ob mein im Südpferdetyp stehendes Pferd mit der Witterung klar kommt. Wenn es friert und es sich nicht anderweitig schützen kann um warm zu werden, braucht es eine Decke, fertig aus.

Aber um es so robust wie möglich zu halten und um die Thermoregulation des Pferdes nicht nachhaltig negativ zu beeinflussen, muß die Decke in der Box wieder runter.


Vielleicht als kleiner Tipp von mir wie ich es persönlich mache:

Mein spanisches Pferd steht immer ohne Decke draußen, wenn es trocken ist. Bei Temperaturen ab 5° C und weniger zuzüglich Feuchtigkeit bzw. Niederschlag bekommt es eine Decke zum Schutz vor Kälte und Nässe. In der Box bekommt es niemals eine Decke. Und mein Pferd ist fit damit.


In diesem haarigen Sinne grüßt dich herzlich,


Patricia



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