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Welches Gebiß ist das richtige für dein Pferd?

  • Patricia Kestel
  • 6. Dez. 2021
  • 5 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 28. Feb. 2022

Zuerst einmal die Frage: muß denn ein Gebiß überhaupt sein? Geht’s nicht auch ohne? Ist das nicht am pferdefreundlichsten - so ohne Gebiß reiten?
Ich sage ganz klar: Nein! Das Gebiß ist unbedingt notwendig in einer guten pferdefreundlichen Ausbildung. Wobei ich niemals das gebißlose Reiten verteufeln würde. Auf keinen Fall. Aber in meiner Ausbildung gibt es da die Reihenfolge: zu Anfang mit Gebiß, dann ohne.


Grundsätzlich ist eh jedes Gebiß für das Pferd so gut wie die Reiterhand es ist. Eine fühlende, feine und gerechte Reiterhand wird mit keinem Gebiß dem Pferd Schaden zufügen.

Eine Trense ist für die Basis-Ausbildung des Pferdes deshalb unerläßlich, da nur damit die Unterkiefermobilisation trainiert und einstudiert werden kann. Das unerläßliche Abkauen kann man gezielt nur mit einer Trense abrufen. Die notwendige Lockerheit im Kiefer und der entspannten Zunge braucht man wiederum für ein lockeres Kiefergelenk, das in der Folge - dank der Muskelketten - zu einem lockeren Pferd führt. (Mal grob gesagt).


Also auf ins Reitsportfachgeschäft. Da hängen sie nun - die Gebisse. Im Reiterfachgeschäft am Drehständer. Trense einfach oder doppelt gebrochen, D-Ring-, Olivenkopf- und Schenkeltrense, Snaffle Bit, Baucher Trense und Pelham, Westernkandare und Kimblewick und wie sie alle heißen, geschweige denn wirken. Das Ganze dann aus unterschiedlichsten Materialien wie Edelstahl, Eisen, Kupfer, Messing, Kunststoff, Gummi, Leder und Speziallegierungen. Das ist die Auswahl im Geschäft. Dann kommen noch die vielen gut gemeinten Ratschläge diverser Trainer, Ausbilder und der Literatur hinzu - die einen sagen so, die anderen so.


Aber welches Gebiß davon sollst du jetzt nehmen? Es soll natürlich pferdefreundlich sein. Ist es dann dick oder dünn, aus einem weichen oder harten Material, gebrochen oder nicht? War nicht doppelt gebrochen ganz besonders lieb zum Pferd? Oder mit der Kupferrolle in der Mitte - ist das gegen Langeweile?…… Bei dem Angebot fällt die Wahl ja wirklich nicht leicht.


Welches dieser Gebisse für dein Pferd am besten geeignet ist, kann ich so pauschal nicht sagen oder empfehlen. Es kann jedes sein. Das hängt nicht nur von deiner Hand ab, sondern auch von den Vorlieben - dem Geschmack im wahrsten Sinn des Wortes - deines Pferdes und auch seiner Physiognomie und Ausbildungszustand.


Aber ich sende dir ein paar Gedanken und Ideen dazu, die dir vielleicht weiterhelfen:

Für das Pferd, daß am Anfang einer Ausbildung steht (das kann auch ein älteres Pferd sein, daß z.B. korrigiert werden muß) eignet sich ein einfach gebrochenes Gebiß aus Edelstahl sehr gut. Um die Lefzen zu schonen und auch ein seitliches Durchziehen durch das Pferdemaul zu verhindern, bietet sich optimal eine Schenkeltrense an. Aber auch eine Olivenkopf- oder D-Ringtrense wäre möglich. Das Gebiß muß gut und sauber verarbeitet sein ohne scharfe Kanten und Grate (hier eben besonders die Gelenke checken).

Ein doppelt gebrochenes Gebiß brauchst du nicht, denn es quetscht die Zunge genauso viel und wenig wie das einfach gebrochene. Eher kann es etwas mehr Unruhe in das Maul bringen durch das zusätzliche Gelenk. Ich kenne viele Pferde, die es tatsächlich deshalb nicht mögen.

Das gebrochene Gebiß hat auch keinen Nußknackereffekt, indem es auf die Laden und den Gaumen wirkt. Bei nicht sachgemäßem Gebrauch würde das gebrochene Gebiß die Zunge quetschen, die die Laden bedeckt. Allerdings sollte das Gebiß so geführt werden, daß es auf der Zunge entlang auf und ab gleitet und maulschonend in die Mundwinkel einwirkt und nicht mittels Druck auf die Zunge direkt.

Mit dieser Art Gebiß kann man das Pferd wunderbar mit dem Abkauen, dem Lösen des Unterkiefers, der Zunge und des Genicks vertraut machen. Es ist ideal geeignet, um das Pferd in Stellung und Biegung einzustellen. Auch ein Verwerfen im Genick kann man hiermit entgegenwirken, was bei einer Stange schneller einmal vorkommen kann.

Das Material kann auch aus Messing oder Eisen bestehen. Letzteres sollte allerdings gepflegt werden, damit es nicht rostet. Bei Eisengebissen solltest du beobachten, wie gut dein Pferd mit diesem Material zurecht kommt, da es machmal allergische Reaktionen hervorrufen kann (Juckreiz im Maul, Quaddel- oder Bläschenbildung an den Schleimhäuten).

Die Trense darf auf keinen Fall hohl sein, da die Möglichkeit besteht, daß sie im Pferdemaul brechen kann.


Wenn ich ein Gebiß neu kaufe, nehme ich es immer in die Hand und probiere wie es sich anfühlt. Ich denke, da es im Pferdemaul auf der Zunge - ein Tastorgan - zu liegen kommt, sollte sich das Gebiß in meiner Hand wie ein Handschmeichler anfühlen.


Bei Korrekturpferden mit starken kräftigen Hälsen, die versuchen, mit viel Kraft gegen die Reiterhand zu gehen, kann man ggf. ein Kimblewick (eine Springkandare) einsetzen. Diese allerdings bitte nie gebrochen kaufen, sondern nur als Stange! Als gebrochenes Gebiß kann sie extrem scharf in der Einwirkung werden - ähnlich wie ein gebrochenes Pelham, das auch nicht in deine Sattelkammer gehört. Wer die Handhabung dieses Gebisses nicht kennt, sollte sich dazu von einem guten Trainer fachkundige Anleitung holen.


Das gut ausgebildete Pferd kann dann schließlich auch mit Kandare geritten werden. Die Kandare ist ein weiteres wunderbares und sehr nützliches Utensil für die Arbeit mit dem Pferd. Sie ist keineswegs ein Marterinstrument, das zur Quälerei entwickelt wurde. Bei nicht sachgemäßem Gebrauch kann sie allerdings dazu führen. Deshalb gehört sie ausschließlich in eine extrem gut ausgebildete Reiterhand. Dann kann man damit unheimlich präzise und federleicht reiten. (Für mich ist das Bild eines anstehenden Zügels an der Kandare übrigens ein absoluter Widerspruch in sich. Hier wurde meiner Meinung nach die Ausbildung des Pferdes auf Kandare nicht verstanden)


Manche Pferde mögen auch das Baucher-Gebiß sehr gern, daß einen kleinen Oberbaum besitzt, wegen fehlendem Unterbaum und Kinnkette aber keine Hebelwirkung besitzt. Vor allem als Stange bringt es viel Ruhe ins Pferdemaul, worüber sich so manches Pferd freut.


Tatsächlich ist es so, daß Pferde durchaus ihre Präferenzen bei Gebissen haben und so mußt du ein bißchen ausprobieren, was am angenehmsten beim Reiten ist. Manchmal mögen Pferde aber auch ein bißchen Abwechslung und dann kann es auch von Vorteil sein, wenn du deinem Pferd alle paar Monate etwas anderes anbietest. Allerdings bitte nicht zehn verschiedene Gebißarten, sondern vielleicht drei.


Dann schauen wir uns noch Grundlegendes wie die Paßform des Gebisses an:

Zunächst einmal muß jedes Gebiß gut an das Pferdemaul angepaßt sein. D.h., du mußt die Breite des Maules ausmessen. Dazu nimmst du ein dünnes Seil, machst einen einfachen Knoten hinein und führst das Seil an der zahnfreien stelle des Pferdemaules über die Zunge auf die andere Seite. Dabei wird der Knoten auf der einen Seite am äußeren Rand des Lefze festgehalten. Dort, wo das Seil auf der anderen Seite des Maules wieder herauskommt, machst du eine Markierung mit einem Stift. (Das Seil sollte im Maul gerade und nicht gebogen zum liegen kommen). So ergibt sich die konkrete Maulbreite, die du dann am Seil ausmessen kannst.

Für ein (gebrochenes) Trensengebiß musst du zu dem Maß noch einen Zentimeter hinzuaddieren, beim Stangengebiß nicht.

Ferner mußt du das Maul innen auch ein bißchen anschauen. Hat dein Pferd eine dicke, fleischige Zunge - besteht also grundsätzlich wenig Platz im Pferdemaul? Dann darf das Gebiß nicht zu dick sein.

Sehr dünne Gebisse mit einem Durchmesser von unter 14 mm Durchmesser gehören allerdings auch wieder nicht in ungeübte Reiterhände, denn sie haben eine sehr scharfe Wirkung auf das Pferdemaul.


Ich geb’s auch zu: ich habe eine jahrelange Testphase mit diesen Gebissen hinter mir. Hab fast alles ausprobiert: Eisen mit Kupfer, Messing, spezielle Legierungen, Apfelgeschmack, Gummi, Leder, doppelt und einfach gebrochen, hohl, nicht hohl, Stange, Kandare, Hackamore, Bosal, gar nichts…..

Ich möchte auch andere Gebisse aus speziellen Materialien nicht besprechen und empfehlen. Letztlich ist mir doch klar geworden, daß es all diese Gebisse deshalb gibt, weil „man“ sich um eine solide und ordentliche Ausbildung drücken möchte. Nein, nein. Da diskutiere ich nicht. Es ist so! auch dein Pferd macht da keine Ausnahme. Sie sollen schnelle Hilfe bringen und ein möglichst zeitnahes Erfolgserlebnis schaffen. Aber es wäre nur ein Kaschieren von Problemen. An der Basisausbildung führt kein Weg vorbei.


Daher verwende ich in meiner Ausbildung für die verschiedensten Pferdetypen und Ausbildungsansprüche eine Schenkeltrense, D-Ring-Trense oder Wassertrense jeweils einfach gebrochen, ein Kimblewick (ersatzweise auch ein Pelham; vierzügelig geritten!) als Stange und später in der Ausbildung dann eine Dressurkandare mit Unterlegtrense. Das war's…


Besprich das Thema immer auch mit deinem Trainer vor Ort. Gerne kannst du deine Fragen dazu natürlich auch an mich richten.


Nun hoffe ich, daß du das Passende für dein Pferd findest und ich wünsche dir dann viel Freude mit deinem Pferd,


Patricia


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